ExtremismusMonitor Thüringen

Diskursverschiebungen sichtbar machen: Diesem Ziel gilt die wissenschaftliche Sammlung und Auswertung potentiell verfassungsfeindlicher Äußerungen aus dem Thüringer AfD-Verband

Wahrzeichen Thüringens: Wartburg in Eisenach (Symbolbild)

Was und warum?

Hintergrund und Idee

Über keine Partei gehen die Meinungen so stark auseinander wie über die AfD: Viele betrachten sie als ernsthafte Bedrohung für die Demokratie, während andere sie als die einzige wählbare politische Kraft ansehen. Nicht erst seit dem starken Abschneiden bei der Landtagswahl am 1. September 2024 steht der Thüringer Landesverband im Fokus der Öffentlichkeit. Dessen Vorsitzender, Björn Höcke, gehört trotz interner Machtkämpfe weiterhin zu den prägenden Figuren der Gesamtpartei – weniger in parlamentarischen oder parteiinternen Gremien, dafür umso mehr auf Marktplätzen und in den sozialen Netzwerken.

Der Verfassungsschutz hat die Thüringer AfD im März 2021 als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft. Dennoch bleibt der öffentliche Zuspruch wie gesehen ungebrochen. Anhängerinnen und Anhänger der Partei argumentieren häufig, den Einschätzungen der Nachrichtendienste sei ohnehin nicht zu trauen oder es würden einzelne Äußerungen aus der AfD von politisch-medialen Eliten bewusst aufgebauscht. Vor diesem Hintergrund hat sich das Institut für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln dazu entschlossen, systematisch die öffentlichen Äußerungen von Vertreterinnen und Vertretern der AfD Thüringen zu analysieren.

Untersucht wurden Beiträge von Thüringer AfD-Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bundestag, dem Europaparlament, dem Landesverband, der Landtagsfraktion sowie den Kreisvorständen und -tagen. Dabei wurden nur solche Äußerungen berücksichtigt, die frei zugänglich sind, beispielsweise auf Facebook, YouTube oder Telegram. Aus über 1.000 gesichteten Beiträgen konnten rund 150 Postings, Podcasts und Videos identifiziert werden, die sich in Bezug auf die elementaren Werte unseres Grundgesetzes als problematisch erweisen – etwa, weil sie fremdenfeindlich sind oder die verfassungsmäßige Ordnung aktiv infrage stellen.

Massive Agitation gegen den (Rechts-)Staat

Besonders besorgniserregend ist, wie die Thüringer AfD den demokratischen Rechtsstaat angreift. Björn Höcke äußerte wiederholt, die Justiz sei politisch gesteuert, bezeichnete das Demokratiefördergesetz als „DDR 2.0“ und beleidigte Thüringens Innenminister als „totalitär“ sowie die Bundeskanzlerin a.D. als „Deutschlandverächterin“. Den vermeintlichen „Kartellparteien“ wirft er ein „Vernichtungswerk“ vor. Diese radikalen Positionen sind kein Einzelfall: So behauptete der AfD-Kreisverband Kyffhäuser-Sömmerda-Weimar, dass durch die Corona-Impfungen „alle Programme zur Zerstörung Deutschlands parallel“ liefen, einschließlich des 1941 von einem US-Autor vorgelegten „Kaufman-Plans“, der auf die Sterilisation der deutschen Männer gerichtet war.

Tatsächlich bildet die Feindseligkeit gegenüber dem (Rechts-) Staat und dem Parteienwettbewerb die größte Gruppe der gefundenen Belege. Der ExtremismusMonitor Thüringen beleuchtet aber auch die Vorstellungen des Landesverbands zur Zusammensetzung des deutschen Volkes. Dazu äußerte sein Vorsitzender in einem Interview etwa, dass die deutsche Souveränität ende, sobald die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr aus echten Deutschen bestünde.

Zurückhaltung bei direkter Juden- und Muslimfeindlichkeit

Darüber hinaus wurden zahlreiche Äußerungen dokumentiert, die sich als fremden- und minderheitenfeindlich interpretieren lassen. Ein Beispiel hierfür ist Höckes Metapher vom „Haus Deutschland“, das seiner Meinung nach von der Bundesregierung als „wild gewordener Hausmeister“ mit Hilfe von „Taugenichtsen“ und „Mietnomaden“ zugrunde gerichtet werde – wobei Letzteres offensichtlich pauschal auf Einwanderer abzielt. Außerdem nutzt Höcke Gewalttaten immer wieder, um generell von einer „Messerkultur“ oder einer „Unkultur der Gruppenvergewaltigung“ zu sprechen, die erst durch die Migration von Menschen aus „kulturfremden Räumen“ nach Deutschland gelangt sei.

Obwohl antisemitische und muslimfeindliche Tendenzen in der Studie dokumentiert werden, zeigt sich hier eine gewisse Zurückhaltung im Vergleich zu früheren öffentlichen Stellungnahmen des Landesverbands. Dennoch gibt es Beispiele: wie das Parteiprogramm, das den orthodoxen Islam undifferenziert als „politische Religion“ bezeichnet, oder Höckes Beschreibung des Baus eines Minaretts in Erfurt als „Zeichen der Landnahme“.

Bewertungsmöglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger

In der Gesamtschau unterstreicht der ExtremismusMonitor, wie gefährlich rechtsextremistische Tendenzen für das demokratische Miteinander sein können, auch mit Blick auf die Koalitionsbildung in Thüringen. Wir möchten jedoch betonen, dass die letztverbindliche Bewertung der nachfolgenden Belege im Rechtsstaat ausschließlich durch Gerichte erfolgen kann. Diese Seite dient vor allem als Nachschlagewerk, das allen Bürgerinnen und Bürgern eine eigene Einschätzung und Meinungsbildung ermöglichen soll.

Unsere Schlussfolgerungen sind das Ergebnis intensiver Recherchen, fachlicher Überlegungen und mitunter angeregter Diskussionen – ob Sie sie teilen, liegt selbstverständlich bei Ihnen. Wir wünschen eine aufschlussreiche und bereichernde Lektüre!

Köln, am 4. September 2024

Prof. Dr. Markus Ogorek, Luca Manns, Jonas Barthle (Koord.) und Team

Pressemitteilung

Sammlungen und Auswertungen zur AfD Thüringen:

Berichterstattung zu der Untersuchung:

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»Von Menschenhass bis Umsturzträumen; wer die Vielzahl konkreter Belege sieht, kann die medial breit diskutierte Radikalität der Thüringer AfD nochmals ganz konkret und transparent erleben.«


Univ.-Prof. Dr. iur. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley), Att. at Law (NY)
Studienverantwortlicher

ExtremismusMonitor Thüringen
des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre

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